Intern
Nachwuchsförderzentrum für Juniorinnen

Es müssen nunmal elf sein

24.10.2018

Gerade im Jugendbereich freuen sich TrainerInnen nach einem Sieg über ihre gute Arbeit. Manchmal verwechseln sie dabei eine gute Teamausbildung mit der Qualität einzelner Spielerinnen. Wir geben Tipps, wie Einzeltalente nicht das Bild der Ausbildung verzerren.

Wer lange genug auf dem Platz steht, der kennt diese Spiele. Verloren, obwohl man eigentlich das bessere Team hatte. Da war halt diese eine Spielerin, die war nicht zu stoppen. Drei Tore selbst gemacht, zwei vorbereitet - ein Ausnahmetalent. Diese Spielerinnen sind wichtig als Vorbild für andere Spielerinnen, für die Qualitätsansprüche im Kader und natürlich auch für schöne Szenen im Fußballspiel. Jede TrainerIn wünscht sich viele solcher Spielerinnen und der Verlust meist groß, wenn sie zu höherklassigen Vereinen abwandern.

Manchmal ist weniger doch mehr

Es klingt merkwürdig, aber im Moment des Weggangs dieser Ausnahmespielerinnen offenbart sich die wirkliche Ausbildungsqualität des Vereins. Dann wird sichtbar, ob der Kader in der Breite und in guter Qualität trainiert wurde, um den Abgang zu kompensieren. Gerade im Kleinfeldbereich pflügen diese Spielerinnen schnell durch das Feld und erzielen ihre Tore. Fehlen sie mal an einem Spieltag, ist das ein Gewinn für das Team. Denn sie können sich nicht mehr auf diese eine Spielerin verlassen. Sie müssen das Spiel selbst in die Hand nehmen, bzw. auf den richtigen Fuß bekommen.

Das Ausbildungsziel in der Jugend ist - neben der Förderung besonderer Talente - der Aufbau eines gut trainierten Nachwuchs, der in den Frauenteams für Erfolge sorgt. Viele Siege durch Einzeltalente in der Jugend kaschieren dann, dass die anderen Spielerinnen (noch) nicht die notwendige Qualität im hochklassigen Bereich der Frauen mitbringen. Fußball wird jedoch immer noch mit elf Spielerinnen gespielt, ein Kader sollte mindestens 16, besser 18 bis 20 Spielerinnen umfassen. Das bedeutet auch, alle diese Spielerinnen in der Jugend auszubilden. 

Hinweise auf Ungleichmäßigkeiten

Deshalb sollten TrainerInnen bei den Juniorinnen nicht nur auf die Siege und die Tabellenposition achten, sondern auf das Gesamtgefüge des Teams. Hier einige Fragen, deren Antworten für eine bessere Einschätzung hilfreich sind:

  1. Sind die geschossenen Tore auf viele verschiedene Spielerinnen verteilt, nicht nur auf eine oder zwei Torschützinnen?
  2. Wie reagiert das Team, wenn sie erfahren, dass eine Spielerin zum Spiel nicht antreten kann?
  3. Neige ich als TrainerIn dazu, Spiele bei Abwesenheit einzelner Spielerinnen verlegen zu wollen?
  4. Wie bewegen sich die übrigen Spielerinnen auf dem Feld, wenn das "Top-Talent" am Ball ist?
  5. Auf welchen Positionen lasse ich meine sehr guten Spielerinnen antreten?

Eine Unwucht im Kader besteht dann, wenn die Antworten auf die Fragen ungefähr so lauten könnten:

  1. Mehr als zwei Drittel aller Tore entfallen auf ein oder zwei Spielerinnen.
  2. Das Team äußert sich im Sinne von "Ohne sie schaffen wir das nie".
  3. Spiele werden besonders dann verlegt, wenn eine oder zwei Spielerinnen verhindert sind.
  4. Das Team steht eher auf dem Feld, als dass es sich bewegt und beobachtet eher, was ihre "Top-Spielerin" mit dem Ball macht.
  5. Die Spielerin wird zumeist offensiv eingesetzt und rotiert kaum über die Positionen hinweg.

Eine gute Nachwuchsarbeit zeichnet sich nicht in erster Linie durch Siege aus, sondern durch eine Ausgewogenheit in der Ausbildung des Kaders. Besonders starke Spielerinnen können dabei als Orientierung eingebunden werden und sollten gleichzeitig durch Erfahrungen auf anderen Positionen auch Erfahrungen von Misserfolg machen können. Eine Spielerin mit gutem "Riecher" für das Tor muss noch lange keine gute Verteidigerin sein. Gleichzeitig ist es wichtig, ihre Ausbildung als Stürmerin um die Erfahrung zu bereichern, wie eine Verteidigerin denkt, sich bewegt und insgesamt "tickt".

Für das Training ist bei nicht allzu großer Leistungsschere, die sich vor allem im Bereich der U11-Juniorinnen zeigt, eine Mischung der Spielerinnen sinnvoll, da die etwas schwächeren Spielerinnen von den Fähigkeiten ihrer Mitspielerinnen profitieren. Sie sehen, wie eine Passübung flüssiger verlaufen kann und erhalten ihre Zone der nächsten Leistungsentwicklung direkt im Training präsentiert. Umgekehrt ermöglichen leistungsgemischte Gruppen leistungsstarken Spielerinnen, einen Blick für das Team zu entwickeln. Sie können - richtig angeleitet - lernen, dass der Erfolg oder Misserfolg nicht allein auf ihren Schultern lastet, sondern auf denen des ganzen Teams. Das nimmt von talentierten Spielerinnen den Druck - übrigens auch, um ihnen den Rücken gegenüber überehrgeizigen Eltern zu stärken.

Tipps für Veränderungen

Eine sehr gute Spielerin ist für jedes Team eine Bereicherung und soll auch besonders gefördert werden. Dies lässt sich mit der Ausbildung des gesamten Teams gut verbinden, wenn

  1. die ohnehin allen Spielerinnen bewussten Leistungsunterschiede offen angesprochen und im Team als Chance wahrgenommen werden,
  2. das Team den Erfolgsdruck von einzelnen Spielerinnen nimmt und ihnen durch eigenen Einsatz Verschnaufpausen in Training und Spielen gönnt,
  3. die besonders guten Spielerinnen durch Positionsrotation die Anforderungen ihrer Mitspielerinnen kennen und würdigen lernen,
  4. TrainerInnen die Leistungsträgerinnen nicht automatisch auch zur Spielführerin machen,
  5. das gesamte Team in Spielen ohne ihre Leistungsträgerinnen lernt, die eigenen Stärken und den Teamgeist einzusetzen,
  6. alle Spielerinnen die Wertschätzung für ihre Leistungen im Training und beim Spiel erhalten.

Im Juniorinnenfußball ist die soziale Motivation der Schlüssel zum Leistungserfolg, die Nichtbeachtung dieses so wichtigen Bausteins gefährdet nicht nur den sozialen Frieden im Team, sondern beeinträchtigt die Leistung, die alle Spielerinnen abrufen. Deshalb sollten TrainerInnen bei jeder Teamführung bedenken: am Ende müssen es nunmal elf Spielerinnen auf dem Platz sein.