Intern
Nachwuchsförderzentrum für Juniorinnen

Die Erde ist eine Scheibe

17.07.2018

Das Nachwuchsförderzentrum veröffentlicht regelmäßig in einer Kolumne im FFussball-Magazin neueste wissenschaftliche Erkenntnisse. In der aktuellen Ausgabe geht es um die Studie zur Leistungsgleichheit von Spielerinnen aus Jungen- und Mädchenteams.

Talentförderung für Nachwuchsspielerinnen erfolgt beim DFB an den Stützpunkten gemeinsam mit Jungen. Dahinter verbirgt sich die zumeist offen kommunizierte Strategie der VerbandstrainerInnen, dass sehr gute Spielerinnen lediglich im gemeinsamen Spielbetrieb mit Jungen ihr volles Potenzial entfalten könnten. Nicht nur den Eltern von Nachwuchstalenten wird regelmäßig geraten, ihre Tochter möglichst lange in einem Jungenteam trainieren zu lassen. Auch in offiziellen Publikationen des DFB oder in Interviews auf Verbandswebseiten wird mit Nachdruck dafür geworben, dass die bessere Leistungsausbildung bei den Jungen erfolge. Empirische Beweise für die Stichhaltigkeit dieses Glaubensgrundsatzes bleiben Verbände und TrainerInnen dabei regelmäßig schuldig. 

Reaktion des DFB-Präsidenten

Erste Risse zeigten sich, als Sportvereine mit weiblichem Leistungsfußball aus Bayern in einer repräsentativen Umfrage Förderstützpunkte nur für Juniorinnen forderten. Hintergrund war die Erfahrung der Vereine, dass Spielerinnen aus Karrieren bei Juniorinnen ebenso leistungsfähig wie jene bei Junioren sind. Mit diesem Ergebnis hat das Nachwuchsförderzentrum für Juniorinnen seinerzeit auch den DFB konfrontiert. In einer offiziellen Antwort des Präsidenten Reinhard Grindel hieß es: „Ich glaube in der Tat, dass wir spezielle Mädchenstützpunkte brauchen“.

(...) Dass die Erfahrungen der Vereine und diese Argumente für eine Ausbildungsvielfalt stichhaltig sind, zeigt nun auch die neuste Studie des Nachwuchsförderzentrums für Juniorinnen an der Universität Würzburg. In einem Vergleich von 370 Spielerinnen mit Ausbildungswegen bei Juniorinnen und Junioren lassen sich keine Leistungsunterschiede in den fußballbezogenen Kompetenzen feststellen. Getestet wurden diese Kompetenzen mit dem vielfach geprüften und international publizierten SCORE-Test (vgl. FFussball-Magazin Ausgabe 04/2018). Verglichen wurde dabei, welchen Einfluss die Anzahl der Jahre bei den Junioren im Vergleich zu den Jahren bei den Juniorinnen auf die fußballerischen Fähigkeiten der Spielerinnen hatte. Das Ergebnis: keinen! (siehe Publikationen)

Verlässliche Erkenntnisse 

(...) Auf diese Ergebnisse, die in der nächsten Ausgabe der Fachzeitschrift „Leistungssport“ veröffentlicht werden, kann es mehrere Reaktionen geben. Eine wird sein, lieber der eigenen Erfahrung als wissenschaftlichen Studien zu trauen. Diese Erfahrung basiert aber auf einer Einschränkung. In Auswahlteams werden häufig nur Spielerinnen aus Jungenteams berufen, so dass die Leistung anderer Spielerinnen gar nicht gesehen und mithin nicht verglichen werden kann. Weil persönliche Erfahrungen keine systematischen Erkenntnisse ersetzen, arbeiten professionellen Leistungszentren mit sportwissenschaftlichen Methoden und Erkenntnissen. Die andere Reaktion sollte sein, sich von veralteten Glaubensgrundsätzen zu verabschieden und die Förderpraxis für Juniorinnen kritisch zu hinterfragen. Denn: aus der persönlichen Erfahrung im Mittelalter nahmen die Menschen auch an, die Erde sei eine Scheibe. Heute wissen wir, dass sie kugelrund ist – so wie der Ball auch.