Deutsch Intern
Nachwuchsförderzentrum für Juniorinnen

Weg mit diesem Unsinn

08/16/2018

Die neue Saison im Juniorinnenfußball steht vor der Tür. Wieder werden Auswahlspielerinnen vom Verband dazu aufgefordert, bei Jungen zu spielen. Das ist sportlich unsinnig und gesundheitlich problematisch. Das Zweitspielrecht ist daher ein Auslaufmodell.

Ein Kommentar von Heinz Reinders

Als die ersten Leichtathleten damit begannen, die Hochsprungstange rücklings zu überqueren statt den Scherenschritt zu springen, wurden sie für diese neuartige Technik belächelt. Zu kompliziert, zu ineffektiv und daher nicht erfolgversprechend waren noch die freundlichen Reaktionen auf diese Innovation. Bei den Olympischen Spielen 1968 sicherte sich der Amerikaner Dick Fosbury mit der fortan „Fosbury-Flop“ genannten Technik die Goldmedaille. Jeder Hochspringer, der es international zu etwas bringen wollte, übernahm die Technik. Heute ist sie aus der Leichtathletik nicht wegzudenken.

Als der Juniorinnen-Fußball der Würzburg-Dragons 2014 erstmalig das altersversetzte Spielen von Mädchen- gegen Jungenteams in Bayern beantragte, wurde dieser Antrag mit der Begründung einer Leistungsgleichheit beider Geschlechter bis zum Alter von 13 Jahren abgelehnt. Ein altersversetzter Spielbetrieb sei daher nicht nötig. Der Erfolg dieses Ausbildungsmodells bei den Würzburg-Dragons, reine Mädchen- gegen Jungenteams spielen zu lassen, zeigte sich dann in zwölf Turniersiegen der U11-Juniorinnen in zwei Jahren, der Bayerischen Meisterschaft der U12-Juniorinnen im Schulfußball und Platz 2 in der U13-Liga der Junioren der abgelaufenen Saison. Beim Verbandstag des Bayerischen Fußball-Verbandes 2018 wurde vier Jahre nach dem ersten Antrag der Würzburgerinnen die Möglichkeit beschlossen, U14-Juniorinnen gegen U13-Jungen-Teams antreten zu lassen. Dieses Ausbildungsmodell wird fortan aus dem Leistungsfußball nicht mehr wegzudenken sein.

Es gibt keine Leistungsunterschiede zwischen dem Ausbildungsweg bei Junioren gegenüber den Juniorinnen

Das wird auch deshalb ein bedeutsames Konzept zur Talentförderung werden, weil eine weitere Vorstellung im Juniorinnen-Fußball bald der Kategorie ausgedienter Praktiken angehören wird. Spielerinnen, die bei Jungen trainieren, sind in ihren fußballerischen Fähigkeiten nicht besser als Spielerinnen aus Mädchenteams. Das bedeutet, dass die Vorstellung der Fußballverbände, nur Spielerinnen aus Jungenmannschaften in die Auswahlteams zu berufen, zukünftig nicht mehr haltbar sein wird. VerbandstrainerInnen werden Eltern talentierter Spielerinnen nicht mehr dazu verleiten oder gar nötigen können, deren Töchter unnötig bis zur U17 niederklassig bei Jungen spielen zu lassen. Denn das Argument, Juniorinnen bei Jungen seien die besseren Fußballerinnen, hat die Studie des NFZ jüngst eindeutig widerlegt.

Es gibt keine Leistungsunterschiede zwischen dem Ausbildungsweg bei Junioren gegenüber den Juniorinnen, die eine Überlegenheit für die Regionalauswahlen begründen können. Diese Ansicht gehört in die Märchenwelt, nicht aber in eine moderne und leistungsorientierte Talentförderung. Deshalb wird hier über hoffentlich eher kurz als lang endlich ein Umdenken der Verbände erfolgen, so wie dieses Umdenken auch beim altersversetzten Spielbetrieb glücklicherweise stattgefunden hat. Noch aus einem anderen Grund wird das Umdenken erfolgen. Die Basis an talentierten Spielerinnen wird immer schmaler, der Juniorinnenfußball erleidet einen dramatischen Abschwung in Deutschland. Die Folge wird sein, dass der Blick nicht nur auf Spielerinnen in Jungenteams fallen kann. Mehr und mehr werden die Verbände einsehen, dass sehr gute Spielerinnen auch in reinen Mädchenteams zu finden sind.

Doppelbelastung ist gesundheitlich problematisch

Bis es soweit ist, empfiehlt sich, die eigenen Töchter nicht durch die Doppelbelastung eines Zweitspielrechts körperlich zu überfordern. Vier Mal Training pro Woche, dazu zwei Spiele am Wochenende, das ist in der Wachstumsphase der Kinder und Jugendlichen auf keinen Fall gesund. Vor allem in Breitensportteams wird hier im Jugendbereich vielfach falsch belastet. Diese körperlichen Langzeitschäden kann keine fürsorgliche Mutter oder kein verantwortungsbewusster Vater für seine Tochter wollen. Hier müssen wir auch für die Gesundheit der nächsten Generation rasch umdenken.

(Foto: J. Damm)

Prof. Dr. Heinz Reinders ist Gründer und Wissenschaftlicher Direktor des Nachwuchsförderzentrums für Juniorinnen, ehrenamtlich ist er Vorstand des SC Würzburg und trainiert seit Jahren Juniorinnen-Teams.